Pasta Gorillas: Vom abrupten Ende einer ganz besonderen Radreise

Fast ein Jahr ist es her, als am 29.04.19 Julian, Nico und Felix von München aus zu einer besonderen Reise aufbrachen. Und noch etwas länger, als wir unser erstes Interview mit den Pasta Gorillas zur Tour geführt haben. Ihr Plan: Mit dem Fahrrad zu den Olympischen Spielen nach Japan zu reisen. Dass sie es können, haben sie bereits bewiesen. 2015 rockten sie 32.000 Kilometer auf ihrer Fahrradtour quer über den amerikanischen Kontinent mit Punktlandung zu den Olympischen Spielen in Rio. Diesmal sind es 19 Länder geworden, 16.250 Kilometer, 330 Tage auf dem Rad und 919 Stunden im Sattel. Eine gewaltige Zahl, doch weniger als geplant. Corona hat nicht nur zum Shutdown der meisten Länder geführt, sondern auch der Fahrradtour den Cut verpasst. Nach einer Odyssee sind Julian und Nico ohne Räder, dafür gesund wieder in Deutschland angekommen. Felix beendete die Reise nach 5.381 Kilometer in Teheran.

Mit Julian habe ich ein längeres Telefonat geführt, allerdings nicht, um noch einmal die Etappen ihrer Reise durchzugehen – die könnt ihr auf ihren Blog nachlesen – sondern so etwas wie ihr persönliches Fazit einer unvollendeten Reise zu erfahren. Nebenbei interssierte mich natürlich auch, was als Tipp die Top-und Flop-Radelländer waren und zu erfahren, wie sich das Material geschlagen hat.

Call aus der Quarantäne: Mit Julian die Reise reflektieren

Beide saßen wir zur Zeit des Interviews wegen Corona in unseren Wohnungen. Julian kommt gleich zur Sache. „Hätte man uns vor vier Wochen gesagt, dass wir wieder daheim sind, hätten wir ihm den Vogel gezeigt, obwohl das Virus bereits im Januar und Februar Gespräch war und wir permanent die Reiseroute angepasst haben. Aus Plan A wurde B, dann C.  Am 10.3. sind wir mit unseren Freundinnen zu einem Zwischenstopp auf den Fidschi-Inseln untergetaucht, waren ohne Internet. Ab dieser Zeit haben wir den Ausbruch mit allen Konsequenzen nicht mitbekommen. Nur über die Buschtrommeln habe man dumpf gehört, z. B. dass Österreich alle Staatsbürger zurückruft“. In den Handys keine SIM-Karte – wie auf dem Rest der Reise auch, hat es WLAN gebraucht um Genaueres zu erfahren. Nach 12 Tagen zurück auf der Fidschi Hauptinsel Nadi war dann schnell klar, dass sie nicht nach Neuseeland zu den Fahrrädern zurück kommen. „Fidschi war eine Sackgasse“ und wollte alle Touristen loswerden.

Glühende Kreditkarten und Isolationszelle

„Kein Land wollte uns mehr aufnehmen – alles dicht – so Julian und „Australien hat die Transferfenster nach Lust und Laune geöffnet oder geschlossen. Die Kreditkarten glühten. 2.000 Euro wurden für Flüge in den Sand gesetzt. Wir hatten über die Deutsche Botschaft sogar eine Sondergenehmigung,  die nicht in den Computer eingegeben werden konnte. Stress. Mit der letzten Maschine sind wir dann von Fidschi nach Singapur geflogen und konnten bis DUS durchbuchen, obwohl es in Singapur auch erst mal nicht weiterging. Es gab Probleme mit der Ticketnummer. Weil der Flughafen in der selben Nacht auf unbestimmte Zeit seinen Betrieb einstellte, hat man uns wie Illegale in Isolierzellen gepfercht und wie den letzten Dreck behandelt, ohne Wasser, Fenster oder WLAN.“ Irgendwann doch der Rückflug.

„Wir fühlten uns jäh aus unseren Träumen gerissen“, bilanzierte Julian im Fokus-online Interview und im Telefonat: „Wären wir in Australien gewesen, hätten wir vielleicht weitergemacht, auch ohne Fahrräder, wären gelaufen oder gesegelt. Wegen der sozialen Verantwortung war das aber die einzige Option. Über die anderen Radreisenden haben wir erfahren, dass sie alle nach Hause gefahren sind. Beruhigend: Die Fahrräder stehen in Neuseeland immerhin sicher bei einem Farmer.“

Neben Corona noch weitere Grenzerfahrungen unterwegs gehabt?

Julian selbstbewusst: „Rio war die Ausbildungszeit, die Reise nach Japan der Gesellenbrief. Das heißt, dass wir unsere Erfahrungen von Anfang an anwenden konnten. Das Leben unterwegs und in der Natur hat unsere Instinkte geschärft. Weil die Abläufe stimmen, macht man weniger Fehler und mentale Belastungen werden besser weggesteckt“. Gut auch, wenn man zu mehreren unterwegs ist, da kann der eine den Anderen aufbauen. Gesundheitlich lieft es bis auf drei Monate Durchfall in Indien ganz gut. „Man lernt damit umzugehen, auch wenn einem die Inder einem zum Kacken hinter den Busch folgen. Sie haben kein Distanz- oder Schamgefühl“. Unangenehm war das Radfahren in Neuseeland und der geringe Abstand zu den Autofahrern oder die Sandfliegen, die Stücke aus der Haut rausreißen“. Bedroht haben sich die Pasta Gorillas unterwegs aber nie gefühlt. Seltsam trotzdem die Situation, in Pakistan von mit MG bewaffnetem Militär durch die Gegend eskortiert zu werden. Mehr Angst, so gesteht Julian, hatte er in der Hängematte unter einer Kokosnuss-Palme zu liegen. Laut Statistik kommen in Asien angeblich jede Menge Touristen durch herabfallende Kokosnüsse um.

Hat gehalten: Knaller-Equipment für unterwegs

Wer wie die Pasta Gorillas keine Fahrrad-Novizen mehr sind, weiß, was man mit auf die Weltreise nimmt, und was besser daheim bleibt. Julian: „Während der Fahrt haben wir nur noch Kleinigkeiten aussortiert – zum Beispiel das Kamerastativ“. Gebraucht haben sie ansonsten alles – wenn auch zum Glück nicht alle Medikamente. Hohe Zufriedenheit mit dem Material:

  • Fahrräder Model Konzept VK12 / Pinion: Sie waren im wahrsten Sinne des Wortes ein Velotraum, obwohl sie bepackt gefühlt so „schwer wie ein Traktor“ waren, so Julian.
  • Dynamo USB-Ladegerät Appcon 3000 NC-17:  Ganz ohne Strom geht es unterwegs doch nicht. Mit dem Lademodul ließen sich mit Muskelkraft das Handy, GPS oder die Kamera laden.
  • Garmin Tracker: Die inReach-Satellitentechnologie hat weitestgehend getan was sie sollte, nämlich den Weg tracken und den Daheimgebliebenen auf der Pasta-Gorilla auf einer Landkarte den letzten Standort aufzeigen. Hat das GPS als Navigationshilfe insgesamt bestens gearbeitet, wurden der Standort im Gebäude oder unter einer Brücke nicht zuverlässig übermittelt. Das gaukelt trügerische Sicherheit vor, da ein Rettungsteam den Suchort nicht zuverlässig eingrenzen kann.
  • Kaipara Merinowäsche: Haben die Pasta-Gorillas die Merinowäsche auf der letzten Reise noch zum Schlafen genutzt, war sie jetzt Funktionswäsche zum Fahrradfahren. Vorteil von Merino: Mieft nicht, und wird selbst klamm durch die Eigenwärme schnell wieder trocken.
  • Helinox Klappstühle: Sie haben mittlerweile 50k Radkilometer auf den Buckel und machen noch immer was sie sollen, nämlich entspannen helfen, nach einem anstrengenden Tag.
  • Vaude – Invenio UL 2P: Leichtes und robustes Heim für unterwegs bei kleinem Packmaß.
  • Hängematte: NoName, dennoch wahnsinnig bequem für die Verschnaufpause unterwegs
  • Schwimmnudeln: Waren als Abstandhalter mit hohem Sicherheitsfaktor Anfang bis Ende dabei. Bewährt haben sie sich ganz besonders in Neuseeland. Außerdem sind sie ausgezeichnete Gesprächsstarter.
  • Gefühlter Materialwinner: das günstige Schwalbe Doc Blue Professional Reifendichtmittel. Versiegelt sofort den Schlauch, selbst wenn ein Nagel drin steckt. Lediglich zwei Plattfüße gab’s diesmal auf der Reise, beide in Indien.
  • Pasta: Auf der ganzen Welt ein Highlight. Überall erhältlich, schnell zubereitet, gut in der Satteltasche mitzunehmen. Schmeckt immer, am Ende eines Tages. Nur im Iran hat sie anders geschmeckt, eher breiig, vielleicht weil eher ein Reisland.
  • Kocher: Gekocht wurden die Nudeln auf dem Primus Omnifuel TI, der Flüssiggas, Benzin, Petroleum, Kerosin und sogar Diesel verbrennt. Das schafft Unabhängigkeit.

Empfehlungen für deine Fahrradtour im nahen und fernen Osten

Tipps für alle, die Lust auf eine eigene Radfernreise bekommen haben: Julian: „Lass die Planung daheim. Je mehr du planst, desto mehr verzettelst du dich. Besser die Sache entspannt sehen, Zeitspielraum lassen. Wer eine Tour zu sehr vorplant oder -bucht limitiert sich für die Dinge, die kommen.“ Drei Destinationsempfehlungen aus Sicht eines Fahrradfahrers:

Tipp 1 für Radreiseanfänger: der Donauradweg:

Der Donauradweg ist einfach und unkompliziert für alle zu fahren, die noch nicht so viel Erfahrung haben. Es gibt genug wilde Zeltplätze, das Essen ist leicht aufzufüllen, die Menschen sind toll und es braucht bis in die Türkei kein Visum. Es wird ausreichend Englisch gesprochen. Außerdem kann man in der Donau baden. Bis ans Schwarze Meer ist das für jeden machbar.

Tipp 2 für erfahrene Radreisende: der Iran

Nichts für Anfänger, da bereits die Organisation der Tour aufwändiger ist (z.B. Visa) und unterwegs Englisch nicht so verbreitet ist. Das Gelände ist grober, die Sonne brennt und die Witterung, sowie der Wind extremer als in Europa. Es entschädigt eine tolle Kultur und sehr freundliche Menschen.

Tipp 3  für alle die es nach Neuseeland zieht

Landschaftlich super und traumhaft, doch leider ist die Fahrradinfrastruktur eine Katastrophe. Keine Seitenstreifen, ignorante Autofahrer, da die Neuseeländer langsame Verkehrsteilnehmer nicht gewohnt sind. Die Autos fahren im Milimeterabstand vorbei. Das Land besser als Wanderer oder mit dem Wohnmobil erleben.

Was von „Without a Plan to Japan“ im Herzen bleibt

Ich will von Julian wissen, wie sich die Reise im Nachhinein anfühlt, zumal sie Tokio nicht erreicht haben und die Tour sozusagen „unvollendet“ blieb. Er: „Unvollendet, nicht unbedingt. Get out stay challenged ist das Leitbild der Pasta Gorillas, was meint, dass der Weg bereits Herausforderung und Ziel ist, es uns um Freiheit, Erleben und Erfahrung unterwegs geht. Das Reisemotto „Without a Plan to Japan“ schließt zusätzlich ein mögliches Scheitern ein. Gerade, weil es nicht selbstverständlich ist, dass Ziel zu erreichen. Am Ende hätte Without a plan, nicht planloser, ratloser, oder chaotischer enden können. Schade und Traurig auf jeden Fall. Höhere Mächte haben es aber gerichtet. Als wir in Doha erfuhren, dass die Olympiade verschoben wird, war es erst mal eine Erleichterung und hat sich damit nur noch halb so schlimm angefühlt, da wir am Ziel so gerne mit der Welt gefeiert hätten.“ Julian im Fokus Interview: „Wir können unser Schicksal jetzt ganz anders annehmen. Es gibt so viele Menschen, die jetzt um ihr Überleben kämpfen – finanziell oder tatsächlich in den Krankenhäusern, wir mussten nur eine Reise unterbrechen“. „Außerdem ist Scheitern nichts Negatives“, meint er noch. „Wir haben es wenigstens versucht. Ohne Scheitern kann man nicht gewinnen. Unsere Radtour nach Rio hat dadurch im Nachhinein einen anderen Stellenwert bekommen.“

Wie geht es jetzt mit den Pasta Gorillas weiter?

Nehmen die Pasta Gorillas nächstes Jahr die Spur erneut auf, um die Fahrradtour in Tokyo zu vollenden? Julian: „Ich kann nicht sagen, ob es nächstes Jahr geht. Wir hatten jetzt die Vereinbarung mit unseren Mädels, das Geld und wir waren im Flow. Nächstes Jahr ist es nicht das Gleiche.“ Es muss für ihn auch nicht immer eine so große Reise sein, da sich selbst in unserer Ecke genug Abenteuer erleben lassen. Julian würde zum Beispiel gerne mal den Bach um die Ecke nachlaufen, der vermutlich im Neckar mündet, dann den Rhein folgen, bis er im Meer endet. „Gewässer „meint er, „vernetzen auf natürliche Weise die Welt“.

Jetzt aber erst mal die Pandemie überstehen und wieder einen Job finden. Die Wohnung ist noch bis Oktober vermietet, weswegen er bei seiner Freundin in Leverkusen ist. Es braucht, noch eine Weile, sich wieder ins System einzuleben und die Reise aufzuarbeiten. Bilder müssen sortiert werden und es ist Zeit die „Tagebücher zu überfliegen“. Da es wieder einen Film über die Reise gibt, sichten Julian und Nico die Clips.

Angst vor der Zukunft haben Julian und Nico keine. Wenn sie was unterwegs gelernt haben: „Nach jeden Berg kommt eine Abfahrt oder nach einer Kurve irgendetwas Schönes“.

Author:in

Helmut Eder

Das Spannende liegt nicht immer am Ende des Regenbogens. Immer auf der Suche nach den kleinen Abenteuern und Geheimnissen, die man draussen findet wenn man unterwegs ist. Ich blogge über unsere Touren, meist im Süden von München und das, was uns so bei den Runden in den Kopf kommt.