Gelesen und erwandert: „Sehnsucht Alm. Vom Glück des einfachen Lebens“

Sehnsucht Almen, der Name ist Programm. Je schneller sich das Leben bewegt und Technologie den Alltag bestimmt, desto stärker der Wunsch nach einem digitalem Detoxing. Und Almen sind dafür die ideale Projektionsfläche. Meist abgeschieden, vielleicht im Funkloch und ohne Strom sind sie der richtige Ort, sich wieder auf Wesentlicheres zu konzentrieren. Der Bildband „Sehnsucht Alm“ der Autoren Karin Lochner und Peter von Felbert ist in das einfache Leben oben auf dem Berg eingetaucht und hat der Frage nachgespürt, was die Arbeit der Sennerinnen und Senner dort so besonders macht. Wir haben das Buch gelesen, uns inspirieren lassen und einige Antworten gefunden. 

Bildstark in Dur: Großformatiger Eindruck vom Bruckmann Verlag

Vermutlich werden nur wenige Ausgaben des 27,4 x 2,5 x 29,6 cm großen Wälzers je im Rucksack eine Alm erreichen. Das Buch braucht Platz. Es fordert Raum, damit aufgeklappt die teils plakatgroßen doppelseitigen Fotos von Fotograf Peter von Felbert wirken und sie einen bildstarken ersten Eindruck vermitteln. Man taucht schier in die Welt der Almen ein. Die meisten Fotos wurden meist mit Bedacht nachbereitet. Um sie zu dramatisieren wurden die Bilder teils zusätzlich kontrastiert, nachgeschärft und farblich gesättigt. Doch es sind nicht nur die Doppelseiten die fesseln, sondern auch ein Lesebuch, das versucht einen breiten Bogen zu schlagen.

Knochenjob statt rosaroter Almidylle

In Oberbayern gibt es 767 staatlich anerkannte Almen mit einer sogenannten Lichtweidefläche von 18187 ha. 2017 wurden dort 1527 Kühe, 20854 Jungvieh und Ochsen, 473 Pferde, 3891 Schafe und Ziegen gezählt. Haben sich früher vorwiegend Familienangehörige um die Tiere gekümmert, sind es heute Bewerber jeden Alters, sich für kurz oder länger um die Verantwortung des wertvollen Viehbestandes bemühen. Diese Zahlen hab ich mal nachrecherchiert. Stellvertretend haben die Autoren 17 Almen ausgewählt und Gespräche mit ihren Sennern/Sennerinnen geführt und dokumentiert. Zum Beispiel auf der Rehbergalm bei Mittenwald, die man nach 2,5 Stunden Aufstieg erreicht und auf der Schafe gehalten werden, der Stie-Alm, deren Käse regelmäßig Preise gewinnt, der Wettersteinalm, auf der Kälber und Jungrinder den Sommer genießen, oder der Staffel-Alm, auf welcher Franz Marc Zeichenstudien anfertigte. Wir bekommen einen Eindruck, was das Leben auf der Alm so anders macht und es nichts mit Bergromantik zu tun hat.  Almwirtschaft ist harte Arbeit, auch an Sonn- und Feiertagen und dass Almen nicht nur für die Landwirtschaft von wirtschaftlicher Bedeutung sind, sondern auch unerlässlich für die Pflege unserer heimischen Kulturlandschaft. Dass heute schwere Güter mit dem Helikopter auf die Alm geflogen werden und schon Kühe mit GPS-Peilsendern ausgestattet werden, macht das Leben in der Einsamkeit etwas leichter.
Bildstarke Doppelseite

Die Alm im Trend: Wenn’s die Sehnsucht stillt …

Wanderbücher zu den „schönsten Almen“, „Lebensweisheiten einer Sennerin“, oder „Heil- und Lebensweisheiten aus den Bergen“. Die Anzahl der Publikationen wächst von Jahr zu Jahr. Sehnsucht ist dabei ein Begriff, der häufig im Gebrauch ist. Natur, Achtsamkeit und Verantwortung ist der Kitt. Der Bruckmann Verlag hat ein starkes Duo mit der Erstellung dieses großartigen Bildbandes Karin Lochner und Peter von Felbert beauftragt, die in drei Sommern zahlreiche Almen besucht und viele Gespräche mit den Sennern- und Sennerinnen geführt haben. Man merkt den beiden ihr eigenes Interesse und Leidenschaft an, mit der sie einen äußert kurzweiligen und aufschlussreichen Bogen zwischen den Menschen auf der Alm und der Bewirtschaftung schlagen. Auch wenn das Buch eher geneigt ist, das idealisierte Bild des Almlebens ins rechte Licht zu rücken, ist es dennoch nicht unaufrichtig, da die Senner- und Sennerinnen ihre Arbeit mit Überzeugung ausüben. Man muss nur zwischen den Zeilen lesen, um sich vorstellen zu können, dass das Suchen eines Jungviehs im Regen, das  Schwenden oder das Bewirten von Wandergästen während eines langen Tages oben am Berg kein Zuckerschlecken ist. 
„Die Alm zwingt dich gerade dazu, den Moment bewusst zu erleben“
Die Informationstiefe war für mich genau richtig, denn ein Bildband will Eindruck vermitteln. Für mehr Detailtiefe. Gewünscht hätte ich mir trotzdem einen besseren geographischen Überblick über die Lage.

Übersicht der vorgestellten Almen zwischen Zugspitze und Berchtesgaden.

Wir wurden sofort angesteckt und sind losgezogen der Staffelalm unter dem Rabenkopf einen Besuch abzustatten.

Münchner Hausberge: Bergwanderung von Pessenbach auf den Rabenkopf

Mittelschwere Bergwanderung, ~ 4,5 Stunden Gehzeit, 909 Höhenmeter, 12 Kilometer. Mit zwei Bildern hat sich Franz Marc in der sich in der Stube der Staffelalm verewigt. Großartiger Zufall: Wir haben die Hütte am Tag des offenen Denkmals besucht und eine interessante Führung erhalten. Zur Tourenbeschreibung
Durch Zufall sind wir bereits einige Tage vorher an der auch im Buch vorgestellte Baumgartenalm vorbeigekommen (jetzt wissen wir endlich, wie der neue und glänzende Kamin rauf auf die Alp gekommen ist).  Tolles Geschenk übrigens!
Gebundene Ausgabe: 192 Seiten Verlag: Bruckmann Verlag GmbH Auflage: 1. (21. Mai 2018) ISBN-10: 3734312205 ISBN-13: 978-3734312205 Größe: 27,4 x 2,5 x 29,6 cm

Author:in

Helmut Eder

Das Spannende liegt nicht immer am Ende des Regenbogens. Immer auf der Suche nach den kleinen Abenteuern und Geheimnissen, die man draussen findet wenn man unterwegs ist. Ich blogge über unsere Touren, meist im Süden von München und das, was uns so bei den Runden in den Kopf kommt.