Mir ist aufgefallen, dass ich mich als Münchner praktisch noch nie freiwillig in der Gegend zwischen dem Münchner Speichersee und dem Flughafen aufgehalten habe. Ismaninger Moos, ist da überhaupt was? Ich glaube, dass dies für 98,8 Prozent der Landeshauptler gilt, die sich zum Wandern lieber südlich und weiter in die Berge, oder nach Osten oder Westen orientieren. Der Norden – und insbesondere die Gegend östlich der Isar hinter Ismaning gilt als flughafenverseuchte Brache, von der man zu Beginn des 19. Jahrhunderts gesagt hat, dass hier Lappland beginnt. Gitta und ich waren nun mehrfach im Schneetreiben unterwegs, haben uns der Tristesse Royale hingegeben und die Einsicht gewonnen, dass es hier toll ist, auch oder gerade wenn das Wetter mies ist.
ACHTUNG, DIE STRASSE ZUM GOLDACHHOF WURDE FÜR DIE ÖFFENTLICHKEIT GESPERRT. SUCHT EUCH EINE ANDERE TOUR AUS, BIS ICH WEISS, OB ICH DIE TOUR KOMPLETT VOM BLOG NEHMEN MUSS. VERSTÖSSE WERDEN TEUER BESTRAFT. WER EINE ANDERE ZUFAHRT KENNT, ODER PARKMÖGLICHKEIT, GERNE MELDEN.
Das erwartet euch im Ismaninger Moos
Die Pfade, auf denen wir uns bewegen, sind Feld und Wiesenwege, wenig frequentierte geteerte und ungeteerte Sträßchen durch den Kernbereich des letzten Niedermoores, das nie flurbereinigt wurde und für die intensive Landnutzung unattraktiv war. Mal könnt ihr den Blick weit über die Felder schweifen lassen, mal nur bis zur nächsten Hecke. Lasst euch überraschen! Einkehrmöglichkeit gibts im Matthof (wenn geöffnet).
So kommt ihr mit dem Auto zum Goldachhof bei Ismaning
Am besten ist, dass ihr euch bei der Anfahrt auf euer Navi verlässt. Eine verpasste Ausfahrt kann wegen der Umgehungsstraße bei Ismaning zu lästigen Umwegen führen. Unseren Ausgangspunkt den Goldachhof erreichen wir am Ende einer Ahornallee an der Mayerbacherstraße. Vorher sind wir an mehr oder weniger alleinstehenden Gruppen von Garten- und landwirtschaftlichen Betrieben vorbei gefahren. Stimmt schon, der Münchner Norden ist ganz schön zersiedelt. Wir parken links am Feldweg nach dem heruntergekommenen Nebengebäude.
Der Goldachhof
Die Geschichte des Goldachhofes beginnt mit der Trockenlegung des Mooses ab dem Jahr 1825. Vorher wurde die unwirtliche Naturlandschaft teilweise als Viehweide genutzt, in die sich die Wenigsten weit hinein trauten. Das Goldachof-Areal wurde 1853 als „Klitsch-Einöde“ gegründet, auf der man vom Torfabbau und Landwirtschaft lebte. 1896 brannte der Hof ab.
Therese Randlkofer, Besitzerin des Feinkostgeschäfts „Dallmayr“ übernahm 1905 den Betrieb, nachdem der Vorbesitzer die Kredite für den Wiederaufbau nicht mehr tilgen konnte. Sie begann hier neben Fisch, Geflügel, Milch und Gemüse auch Kartoffeln und Honig für das Münchner Ladengeschäft zu produzieren.
Der Hof wurde zum größten und fortschrittlichsten landwirtschaftlichen Betrieb der Region, sogar mit eigenem Kraftwerk. 1949 wurde das Areal verkauft, um dem im Krieg zerstörten Dallmayr neu aufzubauen. Danach ging der Dreiseithof durch mehrere Hände. Nach einem Brand des Pferdestalls 1998 und Leerstand wurde der Goldachhof 2010 von der Gemeinde Ismaning übernommen.
Durch den Goldachhof nach Süden und weiter zum Nudelgraben gewandert
Es schneit. Wir gehen durch den Goldachhof, schreiten am Gesindehaus und dem abgebrannten Pferdestall vorbei nach Süden. An der Brücke über die Goldach sehen wir das kleine Wasserkraftwerk. Es wurde vor einigen Jahren renoviert und liefert heute wieder 80.000 kWh Strom für etwa 23 Haushalte im Jahr. Schön, dass man die alte Turbine noch vor Ort zur Ansicht belassen hat.
An den idyllischen Fischteichen kommen wir etwas weiter rechts vorbei. Privatgrund! Dicht fällt der Schnee. Wir schrecken zwei Fasane auf, die erst auf einem nahen Baum, dann im Gleitflug hinter einem Busch Deckung suchen. Über die Felder sehen wir in einer Entfernung immer wieder Baumreihen.
Hier irgendwo müsste die 1801 vermessene bayerische Basislinie von „Basislinie Unterföhring–Aufkirchen“ Goldach gekreuzt haben, die damals noch ein unregulierter Bach war.
„Base de la Goldach“ oder „Basislinie Unterföhring–Aufkirchen“
Bayern war das erste Land Europas, das exakt vermessen wurde. Als Voraussetzung benötig man eine „Basislinie“, die man im unbesiedelten Erdinger Moos zwischen Oberföhring und Aufkirchen bei Erding festgelegt hatte. Zwei steinerne „Basispyramiden“ markieren noch heute die 21.653, 80 Meter lange Strecke, auf der damals kein einziges Haus und nur geringe Höhenunterschiede die Vermessung störten. Von dieser Linie aus wurde Bayern mittels genau vermessener Dreiecke eingeteilt. Die Verlängerung dieser Linie geht auf der einen Seite durch die Spitze des nördlichen Turms der Frauenkirche in München, auf der anderen Seite durch die Turmspitze der Kirche in Aufkirchen. Das Dreiecksnetz wurde später mit dem fränkischen Netz verbunden.
Mit heutiger Technologie wurde die Messung überprüft. Der französische Ingenieur Bonne hatte sich nur um weniger als 1 Meter vermessen!
An der Abzweigung nach 400 Metern biegen wir rechts nordwestlich ab. Schon wieder überqueren wir die Goldach. Kerzengerade steuern wir auf den Nudelgraben zu. Oha. nix zu sehen. Am Ende des Weges ein einzelner Hof. Kurz auf der Teerstraße kreuzen wir die Brücke, um auf seiner westlichen Seite nach Norden zu gehen. Der Weg ist halb Wiese, halb Feldweg.
Vom Nudelgraben zum Matthof gewandert
Gibt es einen schöneren Namen für einen Bachlauf wie „Nudelgraben“? Vielleicht kommt der Name daher, dass hier im Moos eigentlich alle Gräben kerzengerade, meist von Süden nach Norden verlaufen. Der Nudelgraben ist eine Ausnahme und schlängelt sich eher wie eine sanft gewundene Spagetti durch die Landschaft. Der Kanal ist tief und eingewachsen. Uns fallen nach einiger Zeit einige große Kisten mit beidseitigen Öffnungen auf, die im Hangbereich des Grabens platziert wurden. Infoanschläge klären auf, dass es sich hierbei um Biberfallen handelt. Behördlich genehmigt soll der pelzige Nager gefangen und umgesiedelt werden. Man bittet Abstand zu den Fallen zu halten und Hunde an die Leine zu nehmen. Machen wir.
Nach 700 Metern kreuzen wir die Bruckmairstraße. Die Grünfleckstraße erreichen wir nach weiteren 600 Metern. Über die kleine Brücke rücküberqueren wir den Nudelgraben und kommen so auf seine östliche Seite zurück. Nach wenigen Metern schneiden Gitta und ich die geteerte Moosstraße und verlängern so unseren Schritt auf einen Feldweg, dem wir 600 Meter folgen. An seinem Ende biegen wir nach Norden ab. Wenn man auf die geteerte „Senderstraße“ kommt ist der Matthof nicht mehr weit. Achtung, auf diesem Abschnitt kann durchaus mal ein Auto kommen!
Wir steuerten den Matthof nicht an, um selber eine lustige Runde auf einen Pony zu reiten, sondern im Matthof-Stüberl eine kleine Pause bei einer Brotzeit einzulegen. Leider haben wir erfahren, dass „Tschuli’s Küch“ nur geöffnet hat, wenn Reitschulbetrieb ist, was in den Winterferien nicht der Fall ist. Wie gut der Kaffee schmeckt und was genau auf der Brotzeitkarte steht, konnten wir diesmal nicht herausfinden.
Adresse: Senderstraße 11, 85737 Ismaning, Website des Matthof Stüberl
Flugzeuge und Sender im Niedermoos
Für unseren Rückweg wählen wir den Feld- und Wiesenweg gleich gegenüber der Einfahrt zum Matthof. Wir folgen dem kleinen Wassergraben 900 Meter. Ein Blick zurück lässt den 210 Meter hohen Sendemast des Bayerischen Rundfunks erkennen, der hier die Haushalte mit UKW versorgt. Seit 1932 wird dieser Standort betrieben. Ich kann mich noch erinnern, als Kind den hölzernen Sendeturm gesehen zu haben, der mich immer an den Eifelturm erinnert hat.
Ab und an rauscht jetzt ein Flugzeug über uns hinweg. Mit freundlichen Grüßen von Franz Josef Strauß. Darauf würden wir jetzt gerne verzichten. Die letzten hundert Meter kündigen bereits das Niedermoor an! Als wir den Schotterweg erreichen, biegen wir links ab. Der Wind trägt den Geruch eines Holzfeuers von dem nahen Gehöft zu uns herüber.
Letzte Zeugen der einstigen Moorlandschaft
Die letzten Eiszeiten hinterließen zwischen Weyarn im Südosten, Maisach im Westen eine riesige, etwa 1.500 Quadratmeter große Ebene mit Geröllmassen, die sich von den Alpen im Süden nach Norden abflachte. Wo Grundwasser zu Tage trat, entstand ein ausgedehntes Quellmoor. Einer der wertvollsten im Landkreis München liegt östlich von Ismaning – das Oberföhringer/Ismaninger Moos. Umgeben von intensiv genutzten Ackerflächen und verbunden über ein dichtes Netz aus Entwässerungsgräben finden sich einzelne kleine Feuchtkomplexe mit bemerkenswerter Lebensraum- und Artenvielfalt. *
* BayernNetz Natur-Projekt „Ismaninger Moos (Oberföhringer Moos)“, Landratsamt München
Frischer Schnee liegt auf der Piste, auf welcher die einsame Spur eines Fahrzeuges mäandert. Rechts und links des Weges liegen Feuchtgebüsche, kleine Feuchtwaldreste, Röhrichte, Feucht- und Nasswiesen. Hier sind sie also, die Reste des ehemaligen Erdinger Moos mit einer großen Zahl gefährdeter und stark gefährdeter Pflanzen. Wie schön muss es hier im Frühjahr und Sommer sein!
Zurück an der Goldach-Allee zum Goldachhof
Nach knapp einem Kilometer treffen Gitta und ich wieder auf die Goldach. Wir biegen rechts in die Allee ein, der wir zurück bis zum Gutshof folgen werden. Ein Stück dieser Strecke haben wir bereits bei unserer vorherigen Exkursion kennengelernt. Unser Learning: Querfeldeingehen ohne die Gegend zu kennen ist quatsch. Die Wasserläufe sind lang und tief und versperren dort den Weg, wo man es nicht brauchen kann. Haltet euch daher lieber an meine Tourenempfehlung.
Tod beim Kunstflug
Nach 1,3 Kilometer macht der Weg einen merklichen Knick. Etwas weiter, kurz bevor wir wieder den Goldachhof erreichen, sehen wir rechts vom Weg ein kleines Marterl, dessen Inschrift an Leutnant d. R. Georg Josef Kuhnert und Feldwebel Ulrich Georg Frey erinnert. Beide Flieger sind hier am 23. August 1918 bei seinem Kunstflug von Schleißheim kommend abgestürzt. Georg Frey war Träger des Eisernen Kreuzes und Militärverdienstkreuzes, der als erster Burgauer Flieger voll Stolz seine Heimatstadt an der Mindel überflog. Das Marterl wurde 1978 von ortsansässigen Fischern renoviert.
Nach 350 Metern am Auto sagen wir „schee wars“.